In meinem ersten Beitrag erklärte ich, warum Messbarkeit und Testbarkeit in Anforderungsdokumentationen entscheidend sind und warum Wörter wie „alle“ ein No-Go sind. Heute widmen wir uns der zweiten Best Practice: Konsistente Verwendung von Begriffen. Die Regel ist einfach:
Verwende immer dasselbe Wort für dieselbe Sache – auch wenn es zu Wortwiederholungen führt.
Eine Lektion aus meiner Jugend
Einen Monat vor meinem 12. Geburtstag zog ich mit meiner Familie von Uruguay nach Österreich – ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. In meinen ersten Schuljahren war eine positive Note in Deutsch ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst später, als ich die Sprache besser beherrschte, blieb Schreiben ein Kampf. Ich half mir mit Regeln, die mein Deutschlehrer uns einprägte. Eine davon lautete: Ein Wort darf nicht innerhalb von zwei Zeilen vor oder nach seinem Auftreten nochmals verwendet werden, sonst ist es eine Wortwiederholung.
Diese Regel, die mir in der Schule zu manch einer positiven Note half, war als unerfahrener Business Analyst oft ein Hindernis. In dem Bestreben, Wortwiederholungen zu vermeiden, suchte ich nach Umschreibungen – mit fatalen Folgen: Meine Texte waren vielleicht stilistisch ansprechender, aber uneindeutig.
Ein Beispiel: Der Online-Kauf von Kinokarten
Stell dir vor, ein Prozess für den Online-Verkauf von Kinokarten wird so dokumentiert:
- Der Filminteressierte stöbert im Kinoprogramm und findet einen zu besuchenden Film.
- Das System zeigt den Saalplan dem potenziellen Kinobesucher und dieser wählt die gewünschten Sitze.
- Der Benutzer gibt seine Zahlungsdaten ein, und das System verarbeitet die Zahlung und zeigt die Print@Home-Tickets an.
- Der Kunde druckt die Tickets und besucht das Kino.

Dieses Beispiel mag künstlich wirken, zeigt aber das Problem: Sind „Filminteressierter“, „potenzieller Kinobesucher“, „Benutzer“ und „Kunde“ dieselbe Person? Die Frage ist nicht trivial. Dahinter könnten sich wichtige Anforderungen verbergen, z. B. ob der Nutzer im System registriert sein muss oder ob Karten für andere Personen gekauft werden können. Uneinheitliche Begriffe schaffen Verwirrung und erhöhen das Risiko von Missverständnissen.
Meine Regel: Verwende immer dasselbe Wort für dieselbe Sache – auch wenn es zu Wortwiederholungen kommt. Eine Anforderungsdokumentation ist keine Deutsch-Schulaufgabe!
Codenames: Begriffe für Neues erfinden
Manchmal gibt es für etwas Neues noch keinen Begriff, besonders bei innovativen Produkten oder Systemen. Statt vage Formulierungen wie „das Produkt, das wir gerade entwickeln“ zu verwenden, empfehle ich, einen Codename zu erfinden. Das sorgt für Klarheit und Konsistenz.
In meiner Laufbahn habe ich mehrere Codenames erfunden, aber mein Favorit ist „Aladin“ – das „Allgemeine Logistik-, Administrations- und Informationssystem“. Der Name war so eingängig, dass er letztlich zum offiziellen Produktnamen wurde! 😊
Auch wenn das Erfinden von Codenames wie ein lustiger Zeitvertreib wirkt, ist es eine wichtige Voraussetzung für klare Kommunikation – und bereitet den Boden für die dritte Best Practice meiner Trilogie: die Verwendung aktiver Sprache. Mehr dazu nächste Woche!
Bleib dran!
Abonniere unseren Newsletterund folge uns auf LinkedIn, Facebook oder XING, um keine neuen Blogbeiträge oder Updates zu verpassen.
Möchtest du deine Fähigkeiten im Erheben und Dokumentieren von Anforderungen verbessern? Buche unseren Kurs „Requirements Excellence“ bei der SkillsUpgrade Academy und starte deine Reise zu präziseren Anforderungen!